Rezensionen
phantastische-fluchten.blogspot.com
Im Schatten des Tempels von Thomas Vaucher - mein Tipp-
Merysan ist ein Held des Tempelsturms. Vor 37 Jahren waren er und sein Freund Crohn dabei, als der Tempel von den Nordheimern angegriffen wurde, eine Schlacht, die in den Balladen als siegreich und heldenhaft besungen wird.
Mittlerweile lebt Merysan mit seiner Frau Dahlya und seinen beiden Töchtern, Worina und Sana, abseits jeder Ortschaft und führt ein friedliches Leben. Seine Töchter treten in seine Fußstapfen. Wie er, können sie perfekt mit dem Bogen umgehen, Fährten lesen und Wild jagen.
Ihr einsames und friedvolles Leben ist vorbei, als der Tempel erfährt, dass Sana und Worina Weißaugen sind, wie man die Sehenden im Volksmund nennt. Eines der Augen so einer Person ist weiß und mit diesem Auge kann sie die Stränge der Natur sehen und beeinflussen.
Der Tempel hat einen strikten Befehl erlassen, dass alle Sehenden unverzüglich dem Tempel übergeben werden.
Worina wird entführt und Merysan, Sana und Crohn machen sich auf den Weg, das Mädchen zu befreien. Bei dieser Reise müssen die beiden Männern einigen unbequemen Wahrheiten ins Auge sehen, was vor 37 Jahren wirklich geschah.
Kommentar:
Ich habe von Thomas Vaucher schon das Lied der Macht und die Akte Harlekin gelesen und ich habe mich gefreut, dass endlich ein neues Werk erscheint. Im Schatten des Tempels ist ein Einzelroman, der in der Welt der Trilogie „das Lied der Macht“ spielt. Man muss aber das Lied der Macht nicht kennen um den Ereignissen folgen zu können. Aber die Kenntnisse über die Wirker, über die Natur der Stränge und ihre Handhabung helfen sicherlich, den Roman in einem Rutsch zu lesen.
Merysan ist schon über 60, als seine Tochter entführt wird. Nie hat er gedacht, dass er noch einmal zum Bogen greifen muss und auf alte Widersacher trifft. Aber er ist und war ein begnadeter Bogenschütze und diese Fähigkeit hat er an seine Töchter weitergegeben.
Sein Begleiter Crohn ist ein wahrer Riese. Er wird „der Amboss“ genannt, weil er neben seinen Fäusten keine Waffe braucht, um einen Gegner zu besiegen. Während Merysan Frieden gefunden und eine Familie gegründet hat, hat sich Crohn dem Suff ergeben und zehrt immer noch von seinem damaligen Ruhm. Aber er liebt Sana und Worina als wären sie seine eigenen Töchter, also macht er sich mit Merysan auf die Suche nach Worina. Wie es dazu kommt, kann ich nicht erzählen, denn es beeinflusst die Geschichte und die Handlungen verschiedener Personen.
Merysan hat seine Mädchen von Geburt an versteckt, denn er wollte ihnen ein Leben im Tempel ersparen. Bei den seltenen Besuchen im nächstgelegenen Ort trugen die Mädchen immer eine Augenklappe, so dass ihr seltsames Auge nicht zu sehen war.
Aber die Mädchen wurden älter und bekommen Sehnsüchte und Wünsche, wie sie jede junge Frau hat. Freiheit, Sehnsucht nach dem ersten Kuss Sehnsucht nach der großen Liebe und einer Familie. Obwohl sie die Notwendigkeit einsehen, sich zu verbergen, fällt es ihnen immer schwerer, sich dem Gebot der Vorsicht unterzuordnen. Sie beginnen, mit den Strängen der Natur zu experimentieren, aber ohne richtige Anweisung ist es schwer, die Macht zu kontrollieren.
Mir hat es sehr gut gefallen, dass hier alternde Männer die Hauptcharaktere sind. In einer Buchwelt, in der die Charaktere immer jünger und unglaubhaft weltmännisch werden, ist es gut, einmal wieder etwas über Helden zu lesen, die gealtert sind und sich ein Leben aufgebaut haben.
Das Buch teilt sich in zwei Erzählstränge auf. Die Gegenwart, in der das Leben von Merysan und seiner Familie erzählt wird und wie es zur Entführung Worinas kommt. Und die Vergangenheit. Ereignisse um den Tempelsturm, die von Crohn und Merysan erzählt werden. Die Teilnehmer der damaligen Schlacht, von der es nicht mehr viele Überlebende gibt, wurden zum Schweigen verpflichtet aber Merysan möchte, dass Sana versteht, warum sich manche Ereignisse so entwickelt haben. Auch hier gehe ich nicht näher auf die Handlung des Buches ein, denn es folgt wirklich Schlag auf Schlag. Das Buch hat nur 438 Seiten und sie Geschichte ist sehr komplex, so dass der Spannungsbogen permanent hoch ist und ein Ereignis direkt zum nächsten führt.
Thomas Vaucher baut die Spannung kontinuierlich auf und erzählt die Geschichte sehr gekonnt. Es ist kein Wort zu viel, der Lesende fiebert mit und lauscht (liest) genauso gespannt wie Sana der Geschichte des Tempelsturms. Der stetige Wechsel zwischen damals und heute erhöht die Spannung, nach und nach versteht man auch die Handlungen der beiden Kriegshelden. Einer möchte alles vergessen und sein Leben leben. Der andere hat es nie geschafft sich ein Leben aufzubauen und zehrt nur von der Vergangenheit. Doch diese verblasst immer mehr, sie wird verdreht und verherrlicht, bis nichts mehr an die wahren Ereignisse erinnert.
Das Buch beinhaltet eine Karte vorne im Einband und ein Personenregister am Ende. Das Cover ist etwas plakativ, ich dachte zuerst, dass Piraten eine Rolle spielen, weil ein Auge des Mädchens hinter eine Augenklappe verborgen ist. Aber weit gefehlt. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, in eine Zeit des Heldentums und der Kriege. Eine Zeit von Freundschaft, Liebe und Verrat. Ich habe das Buch in zwei Tagen ausgelesen und werde sicherlich auch beim nächsten Buch gerne in diese Welt zurückkehren. Thomas Vaucher ist ein wunderbarer Erzähler, der seine Leser und Leserinnen zu fesseln vermag.
Ein spannender Roman abseits der klischeehaften romancy und young adult Romane. Ein Fantasyroman, der in einer mittelalterlichen Welt spielt, für alle Generationen geeignet.
Man sollte sein Augenmerk viel mehr auf Selfpublisher und Kleinverlage legen, dann findet man solche Perlen abseits des Mainstream.
Fazit:
Eine Empfehlung für jeden. der high Fantasy, epochale Fantasy oder mittelterliche Fantasy mag. Thomas Vaucher braucht sich nicht hinter den Großen der Fantasy wie David Gemmell oder Dave Duncan verstecken, seine grandiosen Geschichten sprechen für sich.
Geschrieben von Petra Berger 5/5 Sterne