Thomas Vaucher

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Rezensionen Winterhelden

www.leser-welt.de

Geschrieben von Rotraud Tomaske

Die Grundidee der Handlung
Luzern 1490: Der ehemalige Reisläufer – schweizerischer Ausdruck für Söldner – Hans Sturm erzählt dem Chronisten Rudolf Etterlin die Geschichte seines Kameraden Hans Teiling. Gemeinsam mit ihm verfolgte er 1478 zwei flüchtige Mörder bis nach Yrnis (heute Giornico). Sie ahnten nicht, dass dieser kleine Ort einige Monate später der Schauplatz einer Schlacht ist, die einen von ihnen zur Legende machen wird.

Wieder erzählt Thomas Vaucher ein Stück der Geschichte seines Heimatlandes und verbindet Historie und Fiktion zu einem lebendigen, glaubwürdigen und ungemein spannenden Ganzen.

Stil und Sprache
„Sechshundert gegen zehntausend ! Lasst es euch auf der Zunge zergehen, denn morgen werden wir kämpfen !“

Allein schon die Vorstellung reicht, um neugierig auf das Buch zu machen. Der Autor schildert dieses kaum fassbare Ereignis so authentisch und anschaulich, dass man beinahe das Gefühl hat, dabei gewesen zu sein. Dazu trägt die bildhafte Ausdrucksweise, die er seinem Ich-Erzähler „Sturmhans“ in den Mund legt, in hohem Maße bei. Die meisten Söldner waren rauhe, ungebildete Kerle und führten untereinander eine recht derbe Sprache. Sturmhans redet ebenfalls, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und auch seine Gedanken enthalten bisweilen recht deftige Formulierungen, die jedoch in die Zeit und die jeweilige Situation passen und den Leser mitunter zum Schaudern – z.B. bei der Beschreibung der Kampfszenen - aber auch des Öfteren zum Schmunzeln bringen.

Die historischen Details sind sorgfältig recherchiert. Man erfährt sehr viel über das Leben der Menschen, das Rechtswesen und die Struktur der heutigen Schweiz Ende des 15. Jahrhunderts und natürlich über die Schlacht, bei der die Eidgenossen einmal mehr ihre Heimat verteidigen. Der Spannungsbogen liegt von Anfang an sehr hoch und wird bis zum Schluß mühelos gehalten.

Figuren
Warum Thomas Vaucher dem historischen „Frischhans“ den fiktiven „Sturmhans“ als Kameraden an die Seite stellt, wird im Anhang einleuchtend dargestellt. Durch seine Augen erlebt der Leser Hans Teiling viel authentischer und kommt ihm näher, als wenn er ihn nur „von außen“ beobachten würde. Er war ein treuer Freund, ein Anführer, dem seine Männer vertrauten, mutig und klug im Kampf, aber leider nicht sehr diplomatisch im Umgang mit der Obrigkeit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gab es damals noch nicht, Teiling nahm es trotzdem für sich in Anspruch. Damit besiegelte er sein Schicksal, dessen Schilderung durch den Mund von Sturmhans den Leser betroffen, berührt und auch nachdenklich zurücklässt. So kann man die Befriedigung des Erzählers verstehen, als Hans Waldmann - einem von Teilings größten Widersachern – wenige Jahre später das gleiche Los widerfuhr.

Viele der geschilderten Personen sind historisch und haben so oder ähnlich gehandelt, gravierende Abweichungen werden vom Autor im Nachwort gut nachvollziehbar erklärt. Wer sein erstes Buch „Der Löwe von Burgund“ gelesen hat, wird auf einige bekannte Namen – vor allem unter den Soldaten - stoßen, da ihre Träger bereits an den Schlachten gegen Herzog Karl den Kühnen von Burgund teilgenommen haben.

Aufmachung des Buches
Das schlichte schwarze Hardcover trägt nur auf dem Buchrücken in weißer Schrift Titel, Autor und Verlag. Dafür ist der Schutzumschlag umso aufwändiger gestaltet: Seine gesamte ausgeklappte Breite zeigt am unteren Rand eine mittelalterliche Schlachtenszene vor dem Panorama der verschneiten Bergwelt. Darüber steht rechts in verschnörkelten, blutroten Lettern der Titel, während links die gleichfarbige „Blutfahne“ den Hintergrund für ein kurzes Porträt des Autors bildet. Die obere Hälfte der Vorderseite nehmen zwei Männer mit Rüstung und Waffen ein. Während der erste durch den Helm unkenntlich ist, entspricht der zweite – barhäuptige – ziemlich genau dem Bild, das man während der Lektüre vom Erzähler „Sturmhans“ vor Augen hat. Eine solche Übereinstimmung zwischen Handlung und Aufmachung eines Buches sieht man leider nur sehr selten, deshalb möchte ich sie besonders hervorheben.

Auf beiden Innendeckeln befindet sich eine Karte des Gebietes der Eidgenossenschaft um 1478. Der Inhalt gliedert sich in 4 Teile mit 51 – meist mit Ortsangaben und Datum versehenen - Kapiteln, einen kurzen Epilog und den Anhang. Dieser ist recht umfangreich und besteht aus der Danksagung und einem historischem Nachwort des Autors zu Handlung, Personen und Zitaten, einem Plan der Schlacht von Yrnis, einer Ballade über dieses Ereignis, Namens- und Ortsverzeichnissen, Erklärungen zu unbekannten Wörtern (Wortschatz) und einer Literaturliste.

Fazit
Thomas Vaucher ist ein glänzender Erzähler. In einer gelungenen Mischung aus historischen Fakten und glaubwürdigen, fiktiven Elementen zieht „Winterhelden“ den Leser in seinen Bann und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los.

5/5 Sterne

www.histo-couch.de

„Eine Schlacht in der Schweiz“

von Carsten Jaehner

Die Schweiz im Winter 1487. Die Burgunderkriege sind gerade vorbei, da werden die beiden Freunde und Reisläufer Hans Teiling, genannt Frischhans, und Hans Sturm, genannt Sturmhans, damit beauftragt, zwei Mörder zu suchen, die einen Zürcher umgebracht haben sollen. Auf der Suche nach ihnen müssen sie durchs Gebirge und lernen dort den Gebirgsführer Hans Viol kennen, der sich nicht nur hervorragend auskennt und seltsame Schneeschuhe benutzt, sondern der auch ein passabler Dichter ist.

Dennoch kündigt sich bereits die nächste Schlacht an: Die Soldaten des Herzogtums Mailand rücken gegen Yrnis (heute Giornico) vor. Dabei haben die Mailänder ein unglaubliche Übermacht gegenüber den Schweizern, die dennoch ihrem Gegner trotzen wollen.

Unter der Führung des Reisläufers Frischhans Teiling treten sie gegen die Mailänder an und lassen sie in einer Schlucht auflaufen. Gemeinsam mit seinem Freund Sturmhans, und vielen weiteren Luzernern stemmen sie sich gegen die Übermacht, und das alles wird dokumentiert von Hans Viol, der anschließend ein Heldengedicht über die Männer schreiben wird. Doch nicht alle überleben die für die Luzerner erfolgreiche Schlacht …

Deutliche Steigerung gegenüber dem Erstling

Thomas Vaucher präsentiert dem Leser mit seinem zweiten Roman erneut ein Stück schweizerischer Geschichte, die dem nicht-regionalen Leser wohl unbekannt sein dürfte. Dennoch weiß der Autor den Leser an das Geschehen zu fesseln und zeigt damit gegenüber seinem Erstling Der Löwe von Burgund eine deutliche Steigerung. Der Roman liest sich wie aus einem Guss, bedient sich einer einfachen, aber klaren und angemessenen Sprache und hat auch keine inhaltlichen Wackler.

Der Ich-Erzähler Sturmhans ist dabei nicht unbedingt sympathisch, im Gegenteil, er zeigt gerade zu Beginn ein schwer zu kontrollierendes Aggressionspotenzial, das ihn das eine ums andere Mal in Schwierigkeiten bringt. So wundert es nicht, dass er zunächst des Mordes an dem Zürcher beschuldigt wird und zunächst inhaftiert wird, ehe er bei einer Verhandlung genügend Fürsprecher hat, um freizukommen. Da der ebenso ein wenig großmäulige Frischhans Teiling angekündigt hatte, die wahren Mörder suchen und finden zu wollen, muss er dies nun auch in die Tat umsetzen, und so ziehen sie zu viert ins Gebirge, um eine Spur zu verfolgen.

Freundschaft

Die beiden Freunde sind die Hauptpersonen, um die sich letztlich die ganze Geschichte rankt, und auch wenn sich beide in dieselbe Frau verlieben, die hübsche Wirtstochter Maria, die vergewaltigt wurde und nun ein Kind austrägt. Doch Sturmhans hält sich zurück und überlässt sie Frischhans, obwohl er sich selbst darüber am meisten ärgert. Doch zeigt sich hier die wahre Freundschaft der beiden, denn sie bricht nicht auseinander. Vielmehr wird Sturmhans nach der Schlacht von Yrnis eine Art Familienmitglied werden, doch das ist schon weit vorgegriffen.

Vaucher gelingt eine Erzählung, die dramaturgisch geschickt und logisch aufgebaut ist und die immer mehr Spannung bekommt. Zwar gibt es einen kleinen Durchatmer, als die Mörder dingfest gemacht werden, aber kurz darauf geht es bereits weiter, und die gefestigte Freundschaft der beiden Protagonisten, die dabei ihren Chronisten kennen gelernt haben, wird fortgesetzt. Die folgende Schlacht selber ist anschaulich dargestellt und vor allem von der Taktik her gut beschrieben. Hier gewinnt – wieder einmal – der kleine David gegen den übermächtigen Goliath, aber es ist historisch verbürgt und somit kritikfrei.

Ausführlicher Anhang

Vaucher erzählt mit einer saftigen Sprache, die den Leser in das Geschehen mit hineinnimmt und bleibt doch einfach und verständlich. Die nötigen Fakten werden nicht schulbuchmäßig referiert, sondern geschickt in die Handlung mit einbezogen. Der Leser lernt einiges über die Geschichte der Schweiz und bekommt dies angenehm in eine schöne Geschichte verpackt.

Wer aus dieser Geschichte real ist und wer fiktiv, schlüsselt der Autor in seinem umfangreichen Anhang auf. Auf fast zwanzig Seiten präsentiert der Stämpfli-Verlag eine Danksagung, ein aufschlussreiches historisches Nachwort, das Originalgedicht von Hans Viol über die Schlacht, den Schlachtplan vom 28. Dezember 1478 (der ein paar mehr erklärende Worte hätte vertragen können als nur das Originalzitat aus der Urquelle), Namensverzeichnis, Ortsverzeichnis, Glossar, Italienische Begriffe und ein Literaturverzeichnis. Trotz allem kommt der Roman "nur” auf insgesamt 210 Seiten, eingerahmt von einer zeitgenössischen Karte der Strukturen der Eidgenossenschaft der Schweiz von 1478 in den Einbänden des Hardcovers.

Insgesamt ist Winterhelden ein durchaus gelungener Roman, der gerne etwas länger hätte sein dürfen und der einen interessanten Blick in ein unbekanntes Stück schweizerischer Geschichte macht. Der Roman beschreibt gut die Verhältnisse der Zeit und bietet dem Leser neben der Historie eine Vielfalt von Einsichten in Traditionen und Werte. Die Hauptfiguren sind klar gezeichnet, wenn auch nicht überbordend sympathisch, und sie sind umgeben von einer Schar Nebencharaktere, die ebenfalls gut beschrieben sind. Wer sich für die schweizerische Geschichte oder für Kleines-Heer-gewinnt-gegen-grosse-Übermacht-Geschichten interessiert, kann hier bedenkenlos zugreifen.

83/100 Punkten

www.vitanigra.com

20 März 2015 | Jay Raeder
Thomas Vaucher – Winterhelden – Buchrezension

Wir schreiben das Jahr 1490 als Hans Sturm dem Chronisten Etterlin in einer düsteren Spelunke seine Geschichte erzählt. Etterlin ist zwar lediglich an der recht tragischen Geschichte des besten Freundes Frischhans Teilling interessiert, aber Hans holt weit aus, um alle Facetten des Berichtes herauszustellen. Seine Erzählung beginnt im Jahre 1478, als Hans am eigenen Leib erfahren muss, wie es ist vor Gericht zu stehen und um sein Leben zu zittern. Teilling steht ihm in jeder Sekunde bei und gemeinsam versuchen sie den wahren Schuldigen zu überführen. Dies gelingt ihnen nach einem harten Weg über den Sancti Gutardi (heute St. Gotthard) glücklicherweise auch und so wird die Weste des Reisläufers (Schweizer Söldner im späten Mittelalter) wieder rein. Bei diesem ersten Unternehmen lernen die Freunde die schöne Italienerin Maria kennen. Einige Jahre später treffen sie sie erneut, nun aber unter ganz neuen Bedingungen: eine Schlacht steht bevor. Eine Schlacht im tiefsten Winter.

Teillings Geschick und Taktik macht ihn selbst und den Erzähler Hans Sturm, auf Grund seines Namens und Tatendrangs genannt Sturmhans, zu Helden der Schlacht bei Yrnis (heute Giornico) im Dezember 1478. Die Winterhelden! Die beiden jungen Männer sind aber nicht nur auf dem Schlachtfeld wahre Helden, Hans Sturm beweist auch seine Ehre, indem er seine große Liebe dem besten Freund überlässt. Die Geschichte führt darüber hinaus weiter bis in das Jahr 1489 und gelangt schlussendlich in die Gegenwart 1490 zurück. Der Chronist schreibt derweil eifrig das Gesagte nieder und entlohnt Hans mit Bier und einer warmen Mahlzeit pro Abend.

Dessen Erzählung ist in vier Teile gegliedert, führt den Leser und den Chronisten durch verschiedene Jahre und Schlachten und wird immer wieder durch Etterlin selbst unterbrochen. Man erhält einen ehrlichen Eindruck der Geschehnisse, die Sturmhans berichtet, man lernt seine Gefühle und Beweggründe kennen und wird somit an seine Geschichte gefesselt. Die Unterbrechungen des Chronisten, die manchmal sehr abrupt wirken, stören zu Beginn den Rede- bzw. Lesefluss von Hans‘ Geschichte. Insgesamt ist „Winterhelden“ aber ein durchaus spannender und mitreißender historischer Roman. Sofern sprachliche Barrieren vorliegen und der Leser sich ein Bild über die Authentizität des Romans machen möchte, kann er alles Hilfreiche, sowie Literatur im Anhang nachlesen.

Natürlich ist der Sturmhans eine fiktive Person, aber auch die lose Anknüpfung an den historischen Wildhans, den es laut Anmerkung tatsächlich gegeben haben soll, ist sehr gelungen. Insgesamt liest sich „Winterhelden“ wunderbar. Die Liebesgeschichte beinhaltet mehr Humor und Tragik, als Kitsch und die Schlachten sind nicht zu übertrieben oder zu blutig dargestellt. Liebhaber des historischen Romans werden an diesem Buch ihre Freude finden. Auch wenn Thomas Vauchers „Winterhelden“ ‚nur‘ knapp 200 Seiten umfasst, beinhaltet es eine runde Geschichte, die mehr Ausschmückung nicht bedarf. Daumen hoch für dieses tolle Buch.

Tessiner Zeitung

Gerade 600 Kämpfer bewerkstelligten Giornicos Verteidigung gegen das Mailänder Söldnerheer von 10’000 Angreifern. Das Buch “Winterhelden” besingt die Heldentat der Leventiner

EINE HANDVOLL TAPFERER WINTERHELDEN IN YRNIS
von Rolf Amgarten

Wir schreiben das Jahr 1478. Wir treten ein in eine der typischen Gaststuben. Menschen von heute würden sie wohl eher als Kaschemme bezeichnen. Rund ein Dutzend Reisläufer, nennen wir sie ruhig auch Landsknechte, Söldner, Raufburschen, haben sich versammelt. Foppen und reizen einander, denn sie kommen aus verschiedenen Stätten, was heute ungefähr die Kantone sind. Thomas Vaucher zieht die Lesenden schnell und direkt hinein in eine Atmosphäre, die wir eigentlich mehrheitlich aus den Geschichtsbüchern kennen und dies eher abstrakt. Er hat versucht, um das historische Skelett Sehnen, Muskeln, Fleisch und Blut zu spannen. Das gelingt ihm gut. Wichtige Protagonisten der Zeit, in der die Eidgenossen als zumindest militärische Grossmacht galten und das Söldnerhandwerk einige reich machte, treten aus der Vergangenheit heraus und kommen zu Wort. Wir stehen kurz vor dem erfolglosen Kriegszug vor den Mauern Bellinzonas und wir erfahren im Kampfe von den Intrigen und unterschiedlichen Interessen jener, die später den geografischen Grenzstein für die Schweiz legen sollten.

Das Zaudern und der Zorn
Der Hauptort der Romanhandlung ist Yrnis, Girnis oder Zurnigo. Heute nennt es sich Giornico, das wichtige Handelstransitzentrum im Liviniental, der heutigen Leventina. Zurnigo passt, denn zornig müssen sie wohl auch gewesen sein, die Verteidiger des Dorfs und der südlichen Verbindung zum Gotthard und der Innerschweiz. Nach etlichen und wiederholten kriegierischen Niederlagen der Urner oder der Eidgenossen, welche dann über Diplomatie gar in Siege umgewandelt werden konnten, weil die Herren von Mailand es sich mit dieser militärischen europäischen Grossmacht nicht verscherzen wollten, da sie Ruhe im Rücken brauchten, wenn von Süd oder Ost die Gefahr drohte. Nach etlichen Niederlagen und dem Zaudern vor Bellinzona mussten die Eidgenossen unverrichteter Dinge abziehen. Intrigen, Diskussionen, unterschiedliche Interessen hatten dazu geführt, dass die Innerschweizer und die Zürcher sich nicht finden konnten. Unrühmlich beschreibt Vaucher die Handlungsweise und das strategische Verhalten solch gefeierter Helden wie Hans Waldmann (der spätere Tyrann von Zürich) und Adrian von Bubenberg. Sein Held ist ein anderer, sind andere: eben die Winterhelden. Begabte Kämpfer- und Führungsnaturen. Ehrliche, aufrechte Streiter, nicht Spiegelfechter. Sie hätten den Durchbruch und Sieg bei Bellinzona gebracht, hätte das Herzogtum Mailand durch die Uneinigkeit der Belagerer Zeit gehabt, ein grosses Heer zu entsenden, so die These des Romanautors, so aber auch die Mutmassung in Geschichtslektüren.

Grosses Heer auf Eis gelegt
Das Herr von 10'000 Mann zieht also heran. Vielleicht waren es auch "nur" 7000 oder 8000, vielleicht auch 12'000 oder 14'000, wie enthusiastische Chronisten und Sänger aufrechnen, welche den Ruhm damit noch erhöhen möchten. Die Eidgenossen ziehen ab. Zur Sicherung der Leventina lassen sie einige Recken im Tal, darunter eben auch die Winterhelden. Am 28. Dezember 1478 also stehen sich das Riesenheer aus Mailand und 600 bis 700 Mann vor Giornico gegenüber. Davon gut und gerne 400 Leventiner, die genau wissen, für welche Sache sie kämpfen. Der Sieg, so Vaucher, ist nur dank einer List möglich und dank grosser Aufopferungsbereitschaft der Verteidiger. Aber auch dank einer ingeniösen Idee eines Gotthardüberwanderers. Und das kam so: Weil die Winterhelden winters über den Gotthard wollten, holten sie sich einen guten Bergführer. Von ihm lernten sie die ersten Steigeisen kennen: Holzsohlenschuhe, in die von Innen Nägel eingetrieben wurden. Vor der Schlacht von Giornico rüsteten sich alle Verteidiger gleichermassen aus. Der Fluss Tessin wurde auf die Ebene geleitet und damit das Aufmarschund Schlachtgebiet der Mailänder vereist. Wie eine Steinlawine brachen die Verteidiger in die rutschenden Pferde-, Ritter- und Fusssoldatenformationen ein. Letztlich blieb dem Rest des grossen Heeres nur die Flucht.

Geschichte als Metapher
Vaucher, der Mittelalterfan, nimmt die Geschichte als Metapher. In diesem Verteidigungskampf gewinnt die Gerechtigkeit, der Schutz der Bevölkerung und der heldenhafte Verteidigungswille. Bewusst bleibt der Autor dabei aber nicht stehen. Er nimmt die Eidgenössische Invasion ins Eschental (Val d'Ossola) als Kontrapunkt dazu. Dort finden sich die Winterhelden als Invasoren, Eroberer, Brandschatzer und Bevölkerungsunterdrükker wieder und unterliegen beschämend demselben Verteidigungswillen und derselben Empörung der Bevölkerung. Diesmal der italienischen. Verkürzt könnte man Vaucher interpretieren: Verteidigungskriege sind meistens gerecht, Eroberungskriege nicht. Und meist liegt der letztliche Erfolg bei den Verteidigern, weil sie wissen, weshalb sie sterben. Das Buch enthält aber nicht nur die Heldengeschichte von Liebe, Mut, Treue, Verrat, Hader, Rachsucht und Geld- und Machtgier. Die Ingredenzien also, mit denen ein Abenteuerbuch gewürzt ist. Wir finden im Anhang ein Lobgedicht auf Giornico, Namenserklärungen, einen Schlachtplan, ein Ortsverzeichnis, den Wortschatz und eine Karte der Schweiz nach den Burgunderkriegen.

www.lesefieber.ch und www.buchmagazin.ch

Viel erlebt hat er, der Sturmhans, aber der Verlust seines besten Freundes hat ihn aus der Bahn geworfen, ein Säufer ist er seit fast einem Jahr, eine traurige Figur. Aber jetzt ist dieser Etterlin mit einem Angebot an ihn herangetreten, freie Kost und freie Getränke, aber dafür soll er dem Chronisten die Geschichte des tragischen Kriegshelden Frischhans Teiling erzählen. So erzählt also der Sturmhans über seinen besten Freund, Frischhans Teiling. Teiling war es, welcher ihm das Leben rettete, als er des Mordes angeklagt war, einen Zürcher erstochen zu haben, das warf man ihm, dem Sturmhans vor, und es führte dazu, dass er, Teiling und eine Handvoll andere Krieger auf eine weite Reise gingen um den wahren Mörder zu stellen. Eine heisse Spur nach zwei Flüchtigen führte die Männer über den Monte Sancti Gutardi. Schnee, Eis und fast dem Tod begegneten sie bei der Passüberquerung. Doch dann ging die Sonne auf für die beiden Freunde, die Sonne hiess Maria Giudici und sie sprach sogar ein wenig deutsch. Marias Vater, Wirt im Livinental, hasste die Eidgenossen aus persönlichen Gründen, Maria aber mochte Teiling wie Sturmhans gerne und verriet ihnen, dass die beiden Flüchtigen im Hause logierten. Doch bei der Festnahme kam es zuerst zu einem schlimmen Zwischenfall, Maria wurde von den Flüchtigen entführt, sie konnte sich zwar befreien, aber es kam zum Schlimmsten. Teiling und Sturmhans sollten Maria schon bald erneut sehen, denn erneut mussten sie den gefährlichen Pass überqueren und nach Yrnis ziehen mit vielen weiteren Kriegern. Gemeinsam mit den Livinern stellten sie sich dann den anrückenden Lombarden mit ihrem riesigen Heer entgegen. Sie waren bloss sechshundert Mann gegen die riesige Übermacht von zehntausend Mann. Es schien ein hoffnungsloses Unterfangen überhaupt in die Schlacht zu ziehen, aber Teiling wurde ihr Anführer und er wusste die Männer zu begeistern. Das Unmögliche wurde wahr, sie gewannen die Schlacht. Aber die Geschichte der Freundschaft zwischen Teiling und Sturmhans, die ging noch weiter. Hat ihn Sturmhans nun abstürzen lassen? Doch durch das Erzählen des Geschehenen kommt Sturmhans wieder zu sich und er weiss genau, was er zu tun hat, das ist er seinem Freund schuldig.

Fazit: Schweizer Heldenepos, Geschichte und Fiktion gekonnt verknüpft!
Die Schlacht von Giornico (Yrnis) im Jahre 1478 ist nicht so bekannt wie andere Schlachten der Eidgenossen. Dabei ist diese Schlacht etwas ganz Einzigartiges gewesen, allein schon die Tatsache, dass sechshundert gegen zehntausend Krieger gekämpft haben und die zahlenmässig zwar unterlegenen, aber cleveren und wilden gewannen, das ist schon etwas ganz Besonderes. Schweizer Geschichte, anschaulich in einen Roman verpackt, mit exakten, echten Fakten und vielem Wissen, einem kleinen Schuss Fiktivem, das ist gelungen und es ist ein spanendes Heldenepos entstanden. Die Liebe zur Geschichte, sowie auch die zum Geschichten erzählen, diese Lust und dieses Können bietet uns der Autor Thomas Vaucher.

Meine Wertung: 8/10
Manuela Hofstätter, 18.8.2013

www.buchwurm.org

Geschichtsstunde in Romanform

“‘Sechshundert gegen zehntausend’, wiederholte Teiling und drehte sich um seine eigene Achse, um sich die Männer in der Gaststube anzusehen. ‘Sechshundert gegen zehntausend! Lasst es euch auf der Zunge zergehen, denn morgen werden wir kämpfen! Sechshundert gegen zehntausend! Und Hans Viol, dieser kleine Bergführer, Dichter und Sänger wird ein Lied darüber schreiben. Ein Lied, wie wir den zehntausend Lombarden den Arsch versohlen! Ein Lied, wie wir sie weinend und heulend wir kleine Kinder zurück nach Mailand schicken!’”

Man schreibt das Jahr 1490 und für eine tägliche warme Mahlzeit berichtet der zu einem Säufer heruntergekommene ehemals zu den gefürchtetsten und besten Kämpfern Europas zählende Hans Sturm dem Chronisten Etterlin von seinem Freund Hans Teiling. Dieser hatte zwölf Jahre zuvor mit Hilfe von Ortskenntnis und einer cleveren List ein Heer von 10.000 lombardischen Kämpfern mit einer vergleichsweise kleinen Truppe von nur 600 Schweizern und Livinern in die Flucht geschlagen und damit das Livinental vor der Übernahme gerettet. Rückblickend erzählt nun also der Söldner Sturmhans ihre gemeinsame Geschichte beginnend damit, wie „Frischhans Teiling“ ihm bei einer Anklage wegen Mordes zur Seite gestanden und ihn vor dem sicheren Tod gerettet hat, über die Suche nach dem wahren Mörder und der Begegnung mit Maria, der Frau, welche die Liebe ihre beider Leben wird, sowie der im heutigen Geschichtsbewusstsein kaum präsenten Schlacht bei Yrnis (Giornico) bis hin zum empörenden Tod des Helden durch den Henker. Dabei gelingt es ihm auch, seine Gedanken zu ordnen und sein eigenes Leben wieder wertzuschätzen, um schließlich das tun zu können, was sein Freund von ihm erwartet hätte.

Der Autor Thomas Vaucher, der bereits Veröffentlichungen im historischen und fantastischen Bereich vorzuweisen hat, greift für seinen Roman “Winterhelden” auf ein wenig bekanntes Kapitel Schweizer Geschichte zurück. Wie im umfangreichen Anhang erklärt wird, hat es Hans Teiling, den Helden von Giornico tatsächlich gegben. Doch nicht alles hat sich genauso zugetragen, wie es in “Winterhelden” erzählt wird. In seiner Mischung aus Fakten und fiktivem Material schildert Vaucher vor dem militärischen Hintergrund des Kampfes mit den Mailändern auch die Freundschaft zwischen den zwei tapferen Söldnern, die sich nicht nur auf dem Schlachtfeld angesichts des Todes, sondern auch durch Verzicht in der Liebe bewähren muss.

Mit dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Raubein Sturmhans hat Vaucher einen wenig emotionalen oder gar beschreibenden Erzähler geschaffen. Abgesehen vom Dichter Viol sind auch die meisten anderen Charaktere wenig sprachgewandte Söldner. Daher rührt der einfache, berichtende Stil. Im Gespräch mit dem Chronisten Etterlin werden sogar gelegentlich der Raffung wegen geschichtsbuchartig Fakten refereriert. Der Liebeskonflikt um Maria und der Verrat durch ihren Vater hätten konflikt- und wortreicher gestaltet werden können. Beides wird für einen Roman sehr zivilisiert gelöst. Sturmhans verzichtet ein wenig im Inneren mit sich hadernd auf die Frau und der aggressive Vater wird lediglich tot aufgefunden, statt beispielsweise in einer Zweikampfszene auf dem Schlachtfeld gebührend dafür bestraft zu werden, dass er zum Feind übergelaufen ist. An solchen Stellen verschenkt der Autor Spannung und Dramatik. Allerdings ergeht er sich auch bei Schlachten oder bei der Behandlung von Angeklagten im Mittelalter, wo andere Autoren historischer Stoffe gern in Blut und Schmerzen waten, nicht in ausufernden Gewaltfantasien, sondern verlässt sich auf die Allgemeinbildung seiner Leser und der unmittelbaren Schilderung des Ich-Erzählers, der relativ nüchtern wiedergibt, was in seiner Umgebung geschieht.

Die Aufmachung des Buches, mit fast zwanzigseitigem Anhang an Hintergrundwissen und informativem Kartenmaterial auf den inneren Umschlagseiten unterstützen den Eindruck eines Buches, das vielmehr Geschichtsbuch als fabulierende Fiktion sein möchte. Am fesselndsten sind trotzdem beschreibende Passagen wie die der gefahrvollen Überquerung des Monte Sancti Gutardi, bei der sich die Freunde durch Eis und Schnee schlagen müssen und Steigeisen kennen lernen, die ihnen bei der späteren Schlacht den Hals retten werden. Die gute Recherche und die schlüssige Komposition machen den Roman trotz kleinerer Kritikpunkte lesenswert.

Der Autor vergibt: (3/5)

22. Oktober 2013 by Corinna Hein

www.necroweb.de

Ehrlich gesagt, mein Wissen über Schweizer Geschichte ist sicherlich noch löchriger als ein Schweizer Käse! Thomas Vaucher hat es mit seinem Roman “Winterhelden” jedoch geschafft, mir dieses unerschlossene Gebiet ein wenig näherzubringen.

Im Jahr 1490 ist Hans Sturm nur noch ein Säufer. Im Austausch für eine warme Mahlzeit erzählt er einem Geschichtsschreiber vom Leben seines besten Freundes, dem Helden Hans Teiling. Der ewige Zweite Sturm droht an dem Erlebten zu verzweifeln, das 1478 in der Blüte seiner Jugend seinen Ursprung hat:

Nach einem Zwischenfall in einer Taverne, bei dem ein junger Mann getötet wurde, droht dem jungen Hans Sturm die Todesstrafe. Der Reisläufer (ein Schweizer Söldner) entgeht dieser knapp und soll nun zusammen mit seinem besten Freund Hans Teiling den richtigen Mörder finden. Der Verdächtige befindet sich jedoch auf der Flucht, daher sind die zwei, unterstützt von einigen Freunden, gezwungen, ihm im Winter in die Berge zu folgen. Bis nach Yrnis, einem verschneiten Bergdorf, verschlägt es die reisenden Reisläufer, wo nicht nur der Gesuchte, sondern auch eine wunderschöne Frau wartet. Beide Männer fühlen sich zu ihr hingezogen, fürs Erste müssen sie jedoch zurück in ihre Heimat.

Schneller als gedacht kommt es nach dieser Episode zu einem Wiedersehen in Yrnis. Immer noch brodeln die Gefühle der Freunde für die junge Frau aus dem Bergdorf. Doch das muss warten, denn der kleine Ort sieht sich einer zahlenmäßig überlegenen Streitkraft gegenüber – Sechshundert gegen Zehntausend!
Wie kann dieser aussichtslose Kampf gewonnen werden? Und wer erringt die Gunst der Herzensdame?

Eine Geschichte, die das Leben schreibt: Freundschaft, Kampf, Liebe. Insgesamt stecken damit in diesem Buch alle Teile eines gelungenen historischen Romans, trotzdem will der Funke nicht so recht überspringen. Der Hauptgrund ist vermutlich, dass alles etwas blass bleibt. Man erfährt nicht viel über die handelnden Personen oder die Umgebung, es fehlt einfach etwas Atmosphäre. Bei einigen Textpassagen könnte man fast meinen, man liest ein Geschichtsbuch.

Authentizität und Geschichtstreue sind natürlich wichtige Bestandteile dieses Genres, denen der Autor durch den umfangreichen Anhang mehr als gerecht wird: Dort sind unter anderem ein ausführliches Nachwort, ein Schlachtplan und ein Ortsverzeichnis enthalten, die das Verständnis der Geschichte enorm erleichtern. Dennoch sollte das Lesevergnügen nicht zu kurz kommen, dafür reichen aber 187 Seiten einfach nicht aus.

Mein Fazit daher: Hier steckt viel, zum Teil noch ungenutztes Potenzial drin! Für Liebhaber eines nüchternen Sprachstils ohne viele Schnörkel ist der Roman schon jetzt spannender, historischer Lesestoff.

6.5/10 Punkte